Glyphosat im Bier.

Wie belastet sind deutsche Biere?

Im Jahr 2016 fand das Umweltinstitut München Rückstände des Unkrautvernichters Glyphosat in den beliebtesten Bieren Deutschlands1. Das Echo auf die Untersuchung war groß: Die Presse berichtete weltweit. Wir starteten eine E-Mail-Aktion, bei der in kurzer Zeit über 20.000 Menschen an die Brauereien schrieben und forderten, das Pestizid aus dem Bier zu verbannen2. Diverse Institutionen, unter anderem das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt des Landes Nordrhein-Westfalen, untersuchten selbst Bier auf Glyphosat und fanden vergleichbare Rückstände des Pestizids3. Auch in österreichischen Bieren wurde Glyphosat gefunden4. Ein Jahr später wollten wir herausfinden, ob sich an der Pestizidbelastung etwas geändert hat. Erneut ließen wir die beliebtesten Biere der Deutschen auf Glyphosat testen.

Welche Biere wurden getestet?

Es wurden die gleichen Biere getestet wie im letzten Jahr. Dabei handelt es sich um die 14 beliebtesten deutschen Biere. Ausschlaggebend war nicht die Größe der Brauerei, sondern die Beliebtheit der Marke, von der wiederum jeweils Proben des absatzstärksten Produkts untersucht wurden.

Wie wurde getestet?

Im Mai und Juni 2017 wurden in verschiedenen Supermärkten und Kiosken in München, Hamburg und Berlin von allen 14 getesteten Biersorten jeweils fünf Proben mit möglichst unterschiedlichen Chargennummern und Mindesthaltbarkeitsdaten erworben.

Von jeder Sorte wurde eine Mischprobe der fünf Chargen von einem akkreditierten Labor getestet. Diese Vorgehensweise wurde gewählt, um ein Bild der durchschnittlichen Belastung einer Marke über einen Zeitraum von mehreren Monaten zu ermitteln. Die Werte, die 2017 ermittelt wurden, sind somit aussage- kräftiger in Bezug auf die Glyphosat-Belastung der Biere als die Werte aus der Stichprobenuntersuchung im Jahr 2016. Spitzenwerte bei der Belastung einzelner Proben werden jedoch durch die Ermittlung eines Durchschnittswertes nicht sichtbar.

Was ist das Ergebnis?

Wie schon im letzten Jahr wurden in allen getesteten Bieren Glyphosat gefunden. Die Werte liegen zwischen 0,3 und 5,1 Mikrogramm pro Liter (μg/l). Für Bier als verarbeitetes Produkt gibt es keinen eigenen Grenzwert, der vorsorgliche Grenzwert für Trinkwasser liegt bei 0,1 μg/l. Dieser wird nach wie vor bei allen untersuchten Bieren überschritten.

Wie kommt Glyphosat ins Bier?

Wird das Reinheitsgebot eingehalten, so ergeben sich drei mögliche Wege, wie Glyphosat ins Bier gelangen kann: Über das Wasser, den Hopfen oder das Getreidemalz. Da Trink- und Brauwasser in Deutschland einem Grenzwert von 0,1 μg/l genügen muss, der auch kontrolliert und nur sehr selten überschritten wird, ist es unwahrscheinlich, dass Glyphosat durch das Wasser ins Bier kommt.

Im Hopfenanbau wird Glyphosat zwar eingesetzt, doch die Hopfendolden werden nicht mit dem Wirkstoff behandelt. Rückstände sind zwar trotzdem möglich (z.B. durch Abdrift), allerdings hat der Hopfen nur einen sehr geringen Anteil am Endprodukt. Der wahrscheinlichste Eintragungsweg ist daher das Malz, das aus Gerste oder Weizen hergestellt wird. Im konventionellen Getreideanbau ist der Einsatz von Glyphosat in großen Mengen an der Tagesordnung.

Wie gefährlich ist Glyphosat?

Glyphosat wird von der Weltgesundheitsorganisation als wahrscheinlich krebserregend bei Menschen und als DNA-schädigend eingestuft6. Dieser Bewertung folgend müssen glyphosathaltige Pestizide seit diesem Jahr im US-Bundesstaat Kalifornien als krebserregend gekennzeichnet werden. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung und die europäischen Behörden EFSA und ECHA halten Glyphosat dagegen für wahrscheinlich nicht krebserregend7.

Die Einschätzung des BfR und der europäischen Behörden wird wegen Mängeln in der Arbeitsweise von zahlreichen WissenschaftlerInnen und zivilgesellschaftlichen Organisationen allerdings heftig kritisiert8. So hat das BfR bei der statistischen Auswertung von Tierversuchen auf die Bewertung der Hersteller vertraut und dadurch den größten Teil der signifikanten Krebsbefunde in den Krebsstudien der Glyphosat-Hersteller schlicht „übersehen“.

In Verruf geraten ist die Bewertung von Glyphosat außerdem durch interne E-Mails des Monsanto-Konzerns, die durch ein Gerichtsverfahren in den USA öffentlich wurden. Diese sogenannten „Monsanto Papers“9 legen nahe, dass das Unternehmen wissenschaftliche Studien manipuliert hat, um so auf die behördliche Einstufung des Stoffs Einfluss zu nehmen.

Neben den gesundheitlichen Auswirkungen steht Glyphosat auch wegen seiner negativen Folgen für die Umwelt in der Kritik. Weitgehend unumstritten ist, dass Glyphosat giftig für Wasserorganismen ist und einen negativen Einfluss auf die Artenvielfalt hat. Durch den hohen Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft gehen Insekten und Vögeln Nahrungsquellen und Lebensräume verloren. Das Mittel ist mitverantwortlich für das große Insekten- und Vogelsterben der letzten Jahrzehnte10.

Testergebnisse

MarkeVeltinsBeck‘sPaulanerWarsteinerHasseröderRadebergerErdinger
Getestete BiersorteVeltins PilsenerBeck‘s PilsPaulaner WeißbierWarsteiner PilsHasseröder PilsRadeberger PilsnerErdinger Weißbier
UnternehmenVeltinsAnheuser-Busch InBevPaulaner BrauereigruppeWarsteiner GruppeAnheuser-Busch InBevRadeberger GruppeErdinger Weißbräu
Glyphosatmenge1,2 μg/l2,9 μg/l0,3 μg/l1,5 μg/l0,7 μg/l2,4 μg/l0,3 μg/l

Trinkwasser-Grenzwert in Deutschland: 0,1 μg/l // Studie 2017

Schlussfolgerung

1. Alle getesteten Biere enthielten Rückstände von Glyphosat, einem Pestizid-Wirk- stoff, der wahrscheinlich krebserregend und DNA-schädigend ist.

2. Offenbar haben die meisten Brauereien auf den öffentlichen Druck reagiert und achten heute stärker auf Rückstände als noch vor einem Jahr. Sie haben ihre Haus- aufgaben gemacht – trotzdem ist es keiner getesteten Brauerei gelungen die Glyphosat-Belastung auf Null zu drücken.

3. In Folge der hohen Einsatzmenge in der Landwirtschaft ist davon auszugehen, dass es eine Hintergrundbelastung mit Glyphosat gibt, die selbst bei sorgfältiger Kontrolle nur schwer zu vermeiden ist. Bei einem wahrscheinlich krebserregenden und DNA-schädigenden Stoff ist dieser Zustand nicht hinnehmbar. Nur ein Verbot des Wirkstoffs schützt die Verbraucherinnen und Verbraucher effektiv. Noch in die- sem Jahr entscheidet die EU über die Wiederzulassung von Glyphosat. Deutschland muss in Brüssel dagegen stimmen, damit die Zulassung Ende dieses Jahres ausläuft.

Gekürzter Auszug. Die komplette Studie Glyphosat im Bier: Wie belastet sind deutsche Biere 2017? kann hier herunter geladen werden »

Quelle: Umweltinstitut München e.V., 2017

Glyphosat ist nicht nur laut Weltgesundheitsorganisation „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen”. Es trägt auch maßgeblich zum Artensterben in der Agrarlandschaft bei. Eine neue Studie zeigt zudem, dass Glyphosat mutmaßlich eine große Rolle beim Rückgang der Bienenvölker spielt.

NACHTRAG: Der Einsatz des Unkrautvernichters Glyphosat ist in Deutschland seit September 2021 deutlich eingeschränkt. Bis Ende 2023 wird das Pflanzengift ganz verboten. Hoffen wir, dass das so bleibt.


1 Unsere Veröffentlichung aus dem letzten Jahr finden Sie unter Glyphosat_Untersuchung_Umweltinstitut_2016.pdf »

2 Die E-Mail-Aktion ist inzwischen abgeschlossen, kann aber unter umweltinstitut.org » nachgelesen werden.

3 Das Amt entwickelte dazu eine eigene Untersuchungsmethode, die Quagzip genannt wurde: researchgate.net »

Die Werte bei der Bier-Untersuchung in NRW lagen zwischen 0,2 und 23 mg/l und damit in derselben Größenordnung wie un- sere Werte aus dem letzten Jahr. Bis auf ein Bio-Bier aus Münster wurden Spuren von Glyphosat in allen Proben gefunden. Mehr dazu im Pestizid-Report des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums: umwelt.nrw.de »

4 Mit einer wesentlich weniger sensiblen Testmethode (Quantifizierungsgrenze bei 3μg/L) fand die österreichische Umwelt- schutzorganisation Global2000 Rückstände von Glyphosat in vier von neun untersuchten, bundesweit beliebten Biersorten in Österreich: global2000.at »

5 Glyphosat wurde bei einer breiten Untersuchung im Jahr 2015 im Urin bei 99,6 Prozent von über 2.000 TeilnehmerInnen gefunden:
umweltinstitut.org »

Bei einer europaweiten Untersuchung bei StadtbewohnerInnen im Jahr zuvor wurden bei einer leicht höheren Bestimmungs- grenze in 70 Prozent der deutschen Urinproben Rückstände von Glyphosat gefunden: foeeurope.org »

Auch die deutsche Bundesregierung geht davon aus, dass es eine „Hintergrundbelastung europäischer Bürger mit Glyphosat gibt“, die aus Rückständen in Lebensmitteln kommt. Siehe Antwort auf die Frage Nummer 7 in dieser kleinen Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/142/1714291.pdf

6 Siehe dazu die Pressemitteilung der Internationalen Krebsforschungsagentur IARC aus dem Jahr 2015: http://www.iarc.fr/en/ media-centre/iarcnews/pdf/MonographVolume112.pdf

Die vollständige Veröffentlichung der IARC, in der es neben Glyphosat auch um einige Insektizide geht, findet sich hier: http:// monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/mono112.pdf

Neben der Einstufung als „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ sieht die IARC darin auch starke Hinweise („strong evidence“) für eine DNA-schädigende (genotoxische) Wirkung von Glyphosat.

7 Siehe zum Beispiel die Einschätzung der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA zur Einstufung von Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend bei Menschen aus dem Jahr 2015: http://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/4302_glyphosa- te_complementary.pdf

8 Siehe dazu die Analyse „Glyphosat und Krebs – Systematischer Regelbruch durch die Behörden“ von Dr. Helmut Burtscher, Claire Robinson und Dr. Peter Clausing aus dem Juli 2017: http://www.umweltinstitut.org/fileadmin/Mediapool/Downloads/01_ Themen/05_Landwirtschaft/Pestizide/Glyphosat/Glyphosat_und_Krebs-Report_2017.pdf

9 Bei den „Monsanto Papers“ handelt es sich um eine große Menge von Papieren, E-Mails, Protokollen und Videoaufzeich- nungen, die ein Gerichtsverfahren in Kalifornien produziert hat, in dem LandwirtInnen Monsanto verklagen, weil sie Krebs bekommen haben. Darunter finden sich auch interne E-Mails der US-Umweltbehörde EPA. Es handelt sich insgesamt um große Datenmengen und der Prozess läuft auch noch. Die Gruppe „US Right to Know“, eine Organisation in den USA, die sich darauf spezialisiert hat, Dokumente und Informationen von staatlichen Stellen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat sie hier zusammengestellt: https://usrtk.org/pesticides/mdl-monsanto-glyphosate-cancer-case-key-documents-analysis/

10 So schreibt das Umweltbundesamt: Die intensive Anwendung insbesondere von breitbandig wirkenden Insektiziden und Herbiziden tötet als ungewollter Nebeneffekt ihres Einsatzzwecks – dem Eindämmen spezifischer Schadorganismen – auch Ackerkräuter und Insekten, die wiederum Feldvögeln vor allem während der Brutzeit als Nahrung dienen. Diese indirekten Effekte durch (Zer-)Störung der Nahrungsnetze treten nicht nur bei der Anwendung von Glyphosat, sondern auch bei anderen Breitbandherbiziden auf. Glyphosat hat aber als das mit Abstand am meisten eingesetzte Herbizid (ca. 1/3 der in der Landwirt- schaft angewendeten Menge) den größten Anteil an den beschriebenen Effekten. http://www.umweltbundesamt.de/themen/ chemikalien/pflanzenschutzmittel/glyphosat

11 Siehe: http://bfr.bund.de/cm/343/vorlaeufige-einschaetzung-zu-gehalten-von-glyphosat-in-bier.pdf

12 Siehe Öko-Test September 2012, https://www.oekotest.de/essen-trinken/20-Getreideprodukten-mit-Glyphosat-im-Test_100582_1.html

13 Zu den Hülsenfrüchten gehören zum Beispiel Bohnen, Erbsen, Soja und Linsen. Auch in diesen Kulturen wird viel Glypho- sat eingesetzt. Als 2012 in Linsen hohe Glyphosatwerte gefunden wurden, wurden die Grenzwerte erhöht. Siehe dazu Öko-Test aus dem November 2012: https://www.oekotest.de/essen-trinken/22-Linsenmarken-im-Test_101024_1.html

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